Textilien, die Sportler kühlen, Textilien, die sich wie ein Schalter an- und ausknipsen lassen und Stoffe, die Druck und Temperaturen messen: Es gibt viele interessante und verblüffende Zusatzfunktionen, die Smart Textiles heute erfüllen. Textilien werden mit elektronischen Komponenten, mit leitfähigen Garnen und winzigen Sensoren ausgestattet und verwandeln sich damit in Hightech-Produkte. Lange Zeit war diese Verknüpfung von Textilien mit elektronischen Komponenten eine Herausforderung. Inzwischen gibt es enorme Fortschritte bei den Verarbeitungstechnologien. textil+mode sprach mit Johannes Diebel, Forschungsleiter und Geschäftsführer beim Forschungskuratorium Textil, FKT, in Berlin.
textil+mode: Herr Diebel, am 27. und 28. Februar hat sich das Anwenderforum Smart Textiles in Berlin getroffen. Das TITV Greiz hat dieses inzwischen 12. Anwenderforum in Zusammenarbeit mit dem FKT und den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung Denkendorf (DITF) organisiert. Was gibt es Neues in Sachen Smart Textiles?
Johannes Diebel: Wir erleben gerade enorme Fortschritte bei den Verarbeitungstechnologien. Was bisher einer effizienten und wirtschaftlichen Massenproduktion im Weg stand, ist inzwischen kein Problem mehr. So können Sie beispielsweise Sporthemden mit elektronischen Gesundheitsfunktionen problemlos und deutlich mehr als 200mal waschen. Die Elektronik im Textil wird auch immer kleiner: Neue Materialien machen es möglich, Sensoren oder Heizungen, die nur noch wenige Gramm wiegen, auf das Textil aufzutragen. Für eine textile Heizung werden beispielweise nur noch vier Gramm e-Grafene für einen Quadratmeter Textil benötigt.
textil+mode: Auch in diesem Jahr hatten Sie zahlreiche Expertinnen und Experten beim Anwenderforum Smart Textiles zu Gast. Welche Trends konnten Sie aus den Vorträgen und Diskussionen heraushören?
Johannes Diebel: Ein großer Trend ist, Smart Textiles nachhaltig zu entwickeln und zu gestalten. Das passiert auch schon mittels biobasierten oder biologisch abbaubaren Fasern oder durch elektronische Komponenten, die leicht aus dem Textil herausgenommen werden können. Dazu werden sie in Laschen oder eingewebten Kanälen im Textil integriert. Ein weiterer wichtiger Trend ist, Smart Textiles mit dem Internet der Dinge zu verschmelzen. Smart Textilien enthalten immer mehr Sensoren, die unterschiedliche Daten sammeln und mit anderen Geräten kommunizieren können. Auf diese Weise entstehen Netzwerke intelligenter Textilien.
textil+mode: Wie schaut es inzwischen mit dem Kundeninteresse bei schlauen Textilien aus. Bei den Bekanntheitswerten von Smart Textiles ist ja immer noch Luft nach oben?
Johannes Diebel: Nichts ist so gut, dass es nicht noch besser werden könnte. Das trifft auch auf das Kundeninteresse bei Smart Textiles zu. Ich bin überzeugt, dass die Innovationssprünge bei der Waschbarkeit, neue Verarbeitungstechniken und neue Materialien dafür sorgen werden, dass die enormen Zukunftspotenziale jetzt zügig erschlossen werden. Je besser smarte Textilien im Alltag genutzt werden können, desto stärker werden sie nachgefragt.
textil+mode: Wenn wir zusammen noch in die Glaskugel schauen – wo wird die Musik bei Smart Textiles in Zukunft spielen?
Johannes Diebel: Bisher beschränkte sich smarte Kleidung oft auf den Sportbereich. Ich sehe aber die Arbeitssicherheit, Alltagskleidung mit Zusatzfunktionen, wie Kühlen oder Wärmen, und Baustoffe mit intelligenten Zusatzfunktionen als weitere Zukunftsmärkte. Denn mit immer mehr Sensoren erschließen wir auch neue Anwendungen. Neben der Messung von Vitalwerten, wie Herzfrequenz oder Körpertemperatur, erkennen textile Sensoren auch Gesten oder Objekte. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten für die interaktive Nutzung von Smart Textiles.
textil+mode: Haben Sie ein Beispiel für uns, das Ihnen persönlich ganz besonders gut gefällt?
Johannes Diebel: Mit gefallen vor allem Lösungen zum Arbeitsschutz. Wenn wir Feuerwehrleute beim Einsatz in einem brennenden Gebäude mittels kluger Textilien schützen und im Einsatz optimal unterstützen können, sind Smarte Textilien der Stoff, der Leben rettet. Oder der Robo-Skin „Manta“, der wie ein Mensch mit seinem Sinnesorgan Haut fähig ist, sich autonom in einem Umfeld zurechtzufinden und Explorations- und Serviceaufgaben auch unter rauen Umgebungsbedingungen erfüllen kann. So wurde der Robo-Skin „Manta“ bereits erfolgreich bei der Unterwasser-Bodenerkundung eingesetzt und hat Seekabel, Versorgungsleitungen und Munition aufgespürt und kartographiert. Eine absolut beeindruckende Smart Textiles-Innovation!
Ein Konsortium aus sechs Partnern entwickelte eine Roboterplattform, deren Kernelement eine neuartige dreidimensional-flexible Sensorhaut, die „Bionic RoboSkin“ ist. Vorbild hierfür war der Manta-Rochen. Der Rochen war bereits in der Ostsee bei Nienhagen im Einsatz für erste Erkundungen. copyright © TITV e. V.
Das TITV Greiz – Die Ideenschmiede für Hightech-Textilien, nahm vor allem die „elektronische „ Haut“ des Manta-Rochens unter die Lupe. copyright © TITV e. V.
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